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Channel: Bildung – Trotz alledem
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Geiz ist geil – auch in der Pandemie

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Als jemand, der auch in der Elternarbeit aktiv ist, fällt mir schon länger auf, dass das vordringlichste Ziel zu sein scheint, die Schulen irgendwie offen zu halten – obwohl man doch tatsächlich im Jahr 2020 erhebliche Kompetenzen bei Schüler*innen und Lehrenden aufgebaut hat, was Home- und Hybridunterricht angeht. Mein Eindruck ist, dass man zu jedem Zeitpunkt davon ausging und weiterhin -geht, dass diese Pandemie bald vorbei ist. Egal, welche Warnungen und Modellierungen es gab und gibt. Und das gilt nicht nur für die Schule, sondern für alle Bereiche, die direkt von der Pandemie betroffen sind – also Gesundheitswesen, Bildung, Ordnungskräfte.

Eine wilde Gedankensammlung über die Dinge, die seit Beginn der Pandemie längst hätten geschehen sollen – aber nicht passiert sind, ist so entstanden. Ich merke, dass ich das so unstrukturiert in meinem Kopf habe, dass Aufschreiben vielleicht hilft. Zwischenzeitlich habe dreimal die Überschrift verändert – auch das ein Zeichen dafür. Und ich befürchte, das hängt auch damit zusammen, dass es so umfassend ist – dieses Versagen der Bürokratie in dieser Pandemie.

Das Gesundheitswesen

Von Anfang an war deutlich, dass in den Krankenhäusern Pflegekräfte und Ärzt*innen über die Maßen beansprucht werden. Überstunden, sterbende Erkrankte, Doppelschichten, unzureichende Kapazitäten, Pflegenotstand, zu wenige Arbeitskräfte, vor allem auch im Intensivbereich. Neben schlechter Bezahlung schlechte Arbeitsbedingungen. Nichts Neues – seit Jahren bekannt. Das Gesundheitssystem unterliegt marktwirtschaftlichen Bedingungen – und daraus resultiert eine Gewinnabsicht – und damit wird Personal zuvorderst ein Kostenfaktor. Wir wissen schon lange, dass es sehr problematisch ist in diesen Bereichen und doch hat man es jahrelang vermieden, etwas dagegen zu tun. Dabei ist es egal, wer regiert – ob grün, rot, schwarz oder gelb – alle Regierungen fanden, dass der Gesundheitssektor zu teuer ist.

Und so traf eine Pandemie auf personell überforderte Intensivstationen. Beeindruckende Reportagen zeigten nicht nur auf, wie verheerend das Virus teilweise wütete – sondern auch stark belastend die Arbeit ist. Anstatt die Erkenntnis aufzunehmen und etwas daraus zu lernen – tat man nichts. Halbgare Versprechungen über Coronaprämien halfen da kaum weiter – der Tarifabschluss von 2,8% Ende 2021 war ein schlechter Witz und wurde zurecht als unzureichend kritisiert. Nicht nur mehr Geld – sondern auch eine Einstellungsoffensive waren und sind dringend notwendig. Die Weiterbildung dauert 2 Jahre – hätte man im Jahr 2020, als klar war, dass wir eine Pandemie haben und es an personal mangelt, begonnen, wären die ersten noch nicht fertig. Davon abgesehen – in den Reportagen war immer wieder zu hören: Ausbildung ist gut und schön, aber viele Entscheidungen, die Pfleger*innen treffen, hängen von der Erfahrung ab. Dass es weder Einstellungsoffensive, noch mehr Geld noch eine Aussicht auf Verbesserungen gibt, ist nur damit zu erklären, dass man davon ausgeht, dass „es“ bald vorbei sein wird und man weiter wirtschaften(!) kann wie bisher. Für mich zeigt sich allerdings eines ganz klar: das Gesundheitswesen muss vom Kapitalismus befreit werden und die Grundversorgung darf an keiner Stelle gewinnorientiert – sondern muss bedarfsorientiert sein. Für gute Arbeitsbedingungen bedeutet das auch, dass man auf Krisen vorbereitet sein muss. Denn eines ist ja deutlich – mit mehr Personal wäre die eine oder andere Maßnahme auch nicht nötig gewesen, weil dann auch mehr Intensivbetten vorhanden gewesen wären und niemand müsste Doppelschichten (ohne zu wissen, wie lange) arbeiten. Um das zu erreichen, muss man: viel Geld in die Hand nehmen.

Die Gesundheitsämter sind dabei noch einmal eine Kategorie für sich. Auch hier: zu wenig Personal, kaputtgespart wie die Kliniken, eine gemeinsame Software zum Datenaustausch – die fast nicht genutzt wird.

375 Gesundheitsämter gibt es in Deutschland, 254 davon haben Sormas installiert. Installiert wohlgemerkt, nicht im Einsatz: Weniger als 90 Gesundheitsämter nutzen das Programm bislang aktiv, um in der Covid-Krise Kontakte nachzuverfolgen. Am Preis liegt die Zurückhaltung nicht: Die Software ist kostenlos, ihre Entwicklung fördert der Bund.

so ist es in einem Artikel im Deutschlandfunk aus dem Februar 2021 zu lesen. Kosten für Schulungsaufwand, neue Hardware, Reibungsverluste, grundsätzliche Umstellungsverweigerung. Im Sommer 2020 waren die Coronazahlen relativ niedrig, man hätte bequem flächendeckend Sormas einführen und die Leute schulen können – das hat man verpasst. Und sicher ist auch dafür der Grund, dass man dachte: die Pandemie ist bald vorbei und dann können wir so langsam weiter machen, wie bisher. Erst im November 2020 hat man sich darauf geeinigt, es flächendeckend einzuführen. Bis heute tippen wohl Mitarbeiter Faxe mit Meldedaten ab. Selbst das wäre nicht nötig – es gibt ja Möglichkeiten, Faxe automatisiert auszulesen. Auch hier fehlte darüber hinaus: mehr Geld, mehr Personal.

Eine Aufgabe der Gesundheitsämter war die Kontaktnachverfolgung und der Kontakt zu infizierten Personen. Also: wer infiziert war, gab an, wo er sich (vermutlich) infiziert hatte und mit wem er*sie in Kontakt war. Wer infiziert war, wurde vom Amt gesagt, wie er*sie sich zu verhalten hatte. Weil man nicht bereit war, ausreichend Personal einzustellen, hat man die Aufgaben der Gesundheitsämter mitten in der Pandemie eingeschränkt:

Auch mit Blick auf die Belastung der Gesundheitsämter, die neben dem Infektionsschutz noch weitere Aufgaben haben, ist diese Fokussierung beim Fall- und Kontaktpersonenmanagements erforderlich. Das bedeutet, dass – bis auf größere Ausbruchssituationen und Infektionsgeschehen in vulnerablen Gruppen – positiv getestete Personen und enge Kontaktpersonen nicht mehr routinemäßig von den Gesundheitsämtern kontaktiert werden.

so zum Beispiel hier in Baden-Württemberg das Sozialministerium im November 2021 – kurz bevor die Omikronwand kam. Da war diese Variante aber schon identifiziert. Oder aktuell in Berlin:

Interessant ist dabei, dass nicht der Schutz der Kinder, sondern die Entlastung des Gesundheitsamts die Richtschnur ist.

 

(Bis hierher sind das natürlich auch Auswirkungen einer Beschäftigungs- und Tarifpolitik, die die sogenannten Frauenberufe schlechter stellt.)

Auch einen Termin für das Impfen war zu Beginn ein Desaster – vor allem hier in Baden-Württemberg. Ich denke, ich brauche das nicht weiter ausführen. Menschen, die tagelang in Telefonwarteschleifen hingen, Webseiten, die nicht in der Lage waren, alternative Standorte zu dem gewählten anzubieten, um einen Impfstandort auszuwählen, zu wenig Personal, zu wenig Kapazitäten – über all das wurde ausreichend und breit berichtet. All das gibt es, es gibt sogar professionelle Callcenter, die so etwas übernehmen können und es gibt Serverkapazitäten, die man anmieten kann, wenn man sie nicht kaufen möchte. Nur die Programmierer muss man halt bezahlen. All das hat man nicht gemacht. Der Grund kann nur sein – man ging davon aus, dass man „es“ ja bald nicht mehr brauchen würde. Also wollte man nichts investieren. Und an der Stelle angemerkt: obwohl viele Virologen davor warnen, dass die nächste Pandemie nur eine Frage der Zeit ist. Keine Frage des „ob“.

Und eine Impfkampagne, die den Namen verdient hätte, fehlt(e) auch. Eine Kampagne, die zielgruppenorientiert die Leute anspricht, telefonisch, persönlich, in Briefen, über soziale Medien –  Grundlage der Kommunikation mit, ja, am Ende Kunden – Fehlanzeige. Und vielleicht liegt da ein Teil des Missverständnisses in den Ministerien. Bürger*innen werden eher als Untertanen verstanden – sie haben ihre Pflicht zu erfüllen. Aber dass es Leute gibt, die auch aufgrund von Querdenkerpropaganda, durch öffentliche missverständliche und sich widersprechende Äußerungen von Politiker*innen verunsichert sind -. das ignoriert man. Ich bin sicher – mit einer wertschätzenden Ansprache wären viele heute geimpft, die heute noch zu misstrauisch sind. Dazu gehörte natürlich auch ein Impfregister – das es möglich machen würde, sich anzuschauen, welche Gruppen nicht oder schlecht Impfzahlen hätte. Es bis heute noch nicht auf dem Weg. Und womöglich hätte eine solche Kampagne mit zielgruppenorientierter Ansprache auch verhindert, dass wir heute über eine Impfpflicht diskutieren müssen. (mit dem unerfreulichen Nebeneffekt, dass die Quergida dadurch Zuwachs erhalten hat).

Die PCR-Testkapazitäten machen derzeit ebenfalls Schlagzeilen. Von Anfang an – auch da gab es schon Engpässe – hätte man mehr Testkapazitäten aufbauen müssen. PCR-Tests sind der Königsweg – bei uns wohl eher als das betrachtet, dass nur gemacht wird, wenn es unbedingt sein muss. Dabei schaffen PCR-Tests mehr Sicherheit. Auch wenn man sich zwischenzeitlich davon überzeugen kann, ob der Schnelltest, dem man sich unterzieht, sicher ist – es bleibt gegenüber dem PCR-Test eine Unsicherheit. Ist man infiziert – oder eben nicht. Eigentlich ein unhaltbarer Zustand. Vor allem angesichts solcher Schlagzeilen:

Viele Schnell- und Selbsttests sind nicht unabhängig geprüft oder schneiden in Checks nicht besonders gut ab, warnen Virologen und Verbraucherschützer. Für Laien ist schwer zu durchschauen, welche Tests taugen. 

Vom Hin und Her mit Masken, Maskenpflicht, Alltagsmasken, medizinische Masken, FFP2-Masken und welches Zertifikat mal ganz abgesehen. Dass die Bevölkerung keine kostenlosen Masken erhält, vor allem die Ärmsten nicht, ist ungeheuerlich. Auch Schüler*innen müssten täglich kostenlose FFP-Masken erhalten, verbunden mit einer Tragepflicht.
Über langfristige Folgen wie Long-Covid, was das für Arbeitsfähigkeit, Rente, Krankenversicherung, Bedarf an Pflegeplätzen (und -kräften) und so weiter bedeutet, mal ganz abgesehen.

Schulen und KiTas

Am 17. März 2020, einem Dienstag, nicht am 16. März, dem Montag, schlossen die Schulen und KiTas in Baden-Württemberg – anders als in anderen Bundesländern. Und von Beginn an wurde angekündigt, dass die Schulen bis zu den Osterferien schließen würden. Anschließend Hybrid, dann wieder Schule „normal“. Und das war und blieb das Ziel.

Es ist natürlich komplex und man kann ja nicht einfach Schulen schließen. Es gibt eine Schulpflicht, abgeleitet von dem Grundrecht auf Bildung. Es gibt Kinder, die anders keine geistige Nahrung bekommen, es gibt Kinder, die kein anderes soziales Umfeld haben, es gibt Kinder, für die die Schule der einzige gewaltfreie Raum ist, dem sie am Tag erleben, der einzige Raum, in dem sie Wertschätzung erfahren, der Ort, an dem es etwas Warmes zu essen gibt, der Ort – und noch mehr. Schule ist nicht nur Lernort, Schule ist auch Sozialraum. Und es gibt Schularten wie die SBBZ, an denen Kinder die einzig mögliche, fachlich richtige Betreuung ehrhalten, außerhalb von Therapiezentren und die Familie entlasten.

Aber es gibt auch Schattenfamilien, die aufgrund von Vorerkrankungen des Kindes oder von Familienmitgliedern ihre Kinder zu Hause lassen. Und selbstverständlich sind Kinder infektiös, erkranken selbst, sind Teil des Pandemiegeschehens. Sie sind bisher weniger betroffen von einer schweren Erkrankung. Aber selbstverständlich kann man es ja nicht darauf reduzieren.

Faszinierend ist, dass es keine Pläne und Absichten gibt, Schule zu verändern. Man könnte Klassen verkleinern, man könnte den Schulbeginn entzerren, um die Kinder im ÖPNV nicht alle aufeinander treffen zu lassen, man könnte Lehrer*innen einstellen, dafür vielleicht sogar die automatische Verbeamtung beenden, man könnte Noten, die mittels Klausuren und Tests (und einer gewissen pädagogischen Freiheit)  festgesetzt  werden, aussetzen und (Halb-)Jahresleistungen bewerten. Man will aber Schule offen halten – und denkt, mit Maskenpflicht, Hygiene und Lüften geht das schon irgendwie. Luftfilter, Luftreinigungsgeräte wurden bislang kaum angeschafft geschweige denn eingesetzt. Wer dies dem Schulträger aufbürdet, sorgt dafür, dass es einen langen Ausschreibungsweg gibt. Anstatt jede Schule mit technischer Unterstützung und Beratung durch die Schulträger selbst entscheiden zu lassen – und so einen Markt zu schaffen, der dazu noch regionale Wertschöpfung beinhaltet – und am Wichtigsten: alle Schulen schnell mit entsprechenden Geräten ausstattet. Ich habe als Vorsitzender des Gesamtelternbeirats ich weiß nicht wie viele Anrufe erhalten von Unternehmen, die gerne Schulen ausstatten wollten, inklusive innovativer Neuentwicklungen wie einfache Ventilatoren in Fenstern, die mit 12 V zu betrieben waren. Niemand hatte eine wirkliche Chance – das Geld wollte und will niemand in die Hand nehmen, um alle Klassenzimmer im Land mit entsprechenden Geräten auszustatten. Leider:

Die Inzidenz der 5-14-jährigen beträgt allerdings am 20.01.22 2039,3:

Fortsetzung folgt….. weil ich auch weiß, dass viele Leute keine ellenlangen Blogartikel lesen. Aufmerksamkeitsspanne und so. Ich will in einem weitern Beitrag nochmal auf das Thema „Lockdowns“ eingehen, Homeofficepflicht etc.. Und dass nach wie vor zu viel Last und Verantwortung auf dem*r Einzelnen liegt – dem*r Untertan*in, anstatt dem*r Bürger*in auf Augenhöhe. und da und vor allem wegen des Geldes.


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